Wie einfach Glück funktioniert
- André Maaß

- 15. Aug. 2021
- 4 Min. Lesezeit

Obwohl ich eigentlich was ganz anderes suche, komme ich mit einer Kiste Fotos vom Dachboden wieder runter. Das ist so, als wenn man(n) nur mal eben kurz in den Baumarkt fährt, um ein Päckchen Nägel zu kaufen, und dann mit neuer Stichsäge, Schraubenschlüssel-Set und einem Rasenmäher-Roboter wieder nach Hause kommt. Da steht sie nun vor mir. Keine spießig geführten, akribisch beschriften Fotoalben, die farblich und nach Datum sortiert sind. Nein, eine quadratische Kiste voll mit durcheinander gewürfelten Erinnerungen. Und genau das macht es ja irgendwie so spannend. Wahllos ein Foto herausgreifen und den Erinnerungen einen guten Flug wünschen.
Als Kind ging Glück ganz einfach
Auf vielen Fotos fällt mir auf, dass es als Kind leichter war, glücklich zu sein. Klar, hat es auch in den frühen Jahren des Lebens nicht immer nur den Sonnenschein gegeben. Dennoch bemerke ich, dass ich nicht viel brauchte, um Glück zu empfinden. Ein bisschen was davon hat sich bis ins Erwachsenenalter gehalten. Ein simples Beispiel, das du vielleicht nachempfinden kannst: Ich nehme ein neues Glas Nutella. Ganz langsam beginne ich Millimeter für Millimeter den Deckel abzuschrauben. Je weiter er sich dreht, desto mehr hört man dieses Knacken. Er ist ab. Darunter glänzt mich die goldene Folie an. Wenn man leicht mit den Fingern darauf trommelt, steigert es die Vorfreude nur noch umso mehr. Jetzt passiert es. Mit dem Finger wird die Folie an einer Stelle durchstoßen. Was für ein Moment! Das hat übrigens auch den mehr als günstigen Effekt, dass man immer gleich etwas von der schokoladigen Verheißung an den Finger bekommt und diesen nun leider ablecken muss. Herrlich oder? Es braucht gar nicht viel, um ein bisschen glücklich zu sein. Wenn man allerdings riesigste Erwartungen hat, überwiegt eher die Enttäuschung. Es sind solche Kleinigkeiten, die so große Glücksgefühle auslösen können. Ach guck mal. Ein Foto, auf dem ich mit einem Freund zusammen zufrieden und strahlend ein Eis leckere. Sofort kommt die Erinnerung an Familie Brandner auf. Die wohnten bei mir damals in der Nähe. Man musste nur die Straße raufgehen, einmal abbiegen und dann kam schon ihr Haus. Warum das so besonders ist? Bei Familie Brandner konnte man klingeln und abgepacktes Eis kaufen. Da gab es zum Beispiel eins, das sah aus wie eine umgedrehte Pyramide und wenn man das Eis gelöffelt hatte, war unten eine Kugel Kaugummi drin. Mega! Da konnte keine Eisdiele der Welt mithalten. Gerade grinse ich wieder vor mich hin, denn sofort ist dieses Glücksgefühl wieder da, das ich hatte, als ich mit 1 DM in der Hand dorthin gestratzt bin, um mir bei Frau Brandner ein Eis zu kaufen.
Eine kleine Melodie hat gereicht
Und was ist das? Ein Foto mit meiner Omi. Da fallen mir die Sommerferien bei ihr ein. Das war wieder auf ganz andere Art herausragend. Wie so oft, darf man bei den Großeltern ja mehr, als zu Hause. Zum Beispiel am Nachmittag Fernsehen gucken. Da gab es das gute alte "Ferienprogramm" im Zwoten mit der kindlich jungen Anke (Engelke) und Benny. Wichtig waren vor allem einige coole Serien, die dann kamen. Allen voran "Captain Future". Eine Zeichentrickserie um die Abenteuer des Captains vom Raumschiff "Comet" und seiner Crew. Darauf habe ich so dermaßen hingefiebert! Meistens kam vorher noch irgendwas Furzlangweiliges wie "Heidi", "Ferien auf Saltkrokan" oder "Calimero" - du weißt schon, dieses merkwürdige schwarze Küken mit der Eierschale auf'm Kopp. Alles wirklich schöne Kinderserien. Aber nicht, wenn du als Junge gespannt und voller Vorfreude auf "Captain Future" wartest. Wenn endlich diese Musik losging, bekam ich schon Gänsehaut vor lauter Aufregung. Der Soundtrack vom legendären Christian Bruhn ist auch heute noch auf meiner Playlist und erinnert mich immer wieder an diese tollen Glücksmomente.
Glück ist: Lebensmomente gemeinsam zu teilen
Die Erwartungen als Kind an das Glück waren einfach nicht sehr groß. Es brauchte nur wenig, um sich euphorisch und fröhlich zu fühlen. Als Erwachsener habe ich mich oft gefragt, wo diese Leichtigkeit hin ist. Wahrscheinlich ist es nur allzu natürlich, dass sie einem abhandenkommt. Im Teenageralter war es uncool, glücklich zu sein. Als Erwachsener haben mir bis vor ein paar Jahren die kleinen und großen Probleme des Alltags solche Gefühle ausgetrieben. Mit der Zeit vergisst man es wohl, wie das geht mit dem einfachen Glück. Es kann jedoch total leicht sein, das zurückzuholen und wieder zu fühlen. Vor kurzem habe ich mich mit drei Arbeitskollegen zu einem digitalen Feierabendgetränk verabredet. Wir haben uns online mit Kamera und Mikro versammelt und einfach ein bisschen geklönt. Besonderheit war, dass ich allen vorher eine kleine Hausaufgabe gegeben habe. Jeder sollte sich 5 Songs raussuchen, die ihn im Alter zwischen 10 und 16 richtig geflasht haben. Da wir alle unterschiedlich alt sind, kam eine irre Bandbreite an Songs zusammen, die teilweise für eine Menge Gelächter gesorgt haben. Jeder von uns hat dann auch eine Geschichte dazu parat gehabt, woran ihn dieser Song gerade erinnert. Das waren sehr fröhliche und ausgelassene Momente. Da fanden keine großen oder weltbewegenden Dinge statt. Nur vier Typen, die ein paar Lebensmomente miteinander geteilt haben. Glück ist eines der einfachsten Gerichte der Welt, weil die Zutatenliste extrem kurz ist. Man muss sich eben nur mal wieder an den Herd stellen und selbst kochen.
Fröhlichst
Dein André








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