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Wenn man nix zu tun hat, kommt man auf die dümmsten Ideen

  • Autorenbild: André Maaß
    André Maaß
  • 14. Nov. 2021
  • 4 Min. Lesezeit

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Ich denke, wir sind uns einig, dass ein Burn-out nicht mal eben so vor der Tür steht. Er nimmt häufig über Jahre hinweg Anlauf, um seinen Auserwählten dann umzuschubsen. Man bemerkt ihn eigentlich erst, wenn es zu spät ist, um auszuweichen und ihn ins Leere laufen zu lassen. Ich spreche da aus leidvoller Erfahrung. Wie du vielleicht in meinem Buch "Warum bist du eigentlich so gut drauf?" gelesen hast, ist seit meiner Kindheit eine Menge passiert, was seinen großen Auftritt bei mir im Herbst 2012 begünstigt hat. Zum Beispiel gehörten Grübeleien schon immer zu mir. Damals, während mein Burn-out seinen Zenit erreichte, ganz besonders.


Decke über den Kopf ziehen ist auch keine Lösung


Mein Arzt riet mir damals, als er mich aus dem Spiel genommen hat, mir etwas zu suchen, das mich beruhigt und positiv stimmt. Schöne Idee. Aber was? Damit war ich erst einmal vollkommen überfordert. So schmiss ich mich zu Hause unentschlossen von einer Ecke in die andere oder klickte planlos im Internet herum. Durch dieses Nichtstun übernahmen meine Gedanken die Führung und machten sich selbstständig. Rate mal, welche Farben sie annahmen? Richtig. Grau und Schwarz. Je länger ich da verharrte und nichts mit mir anzufangen wusste, desto finsterer wurde das, was sich da so in mir abspielte. Nichts war da, was diese negativen Gedanken aufhielt. Entsprechend veränderte sich auch meine Stimmung, was wiederum zu mehr schlechter Denke führte. Ab ging die wilde Fahrt. Ich wurde immer unglücklicher, weil ich Zeit hatte, darüber nachzudenken, ob ich unglücklich bin. Es war richtig fühlbar, wie die Energie aus mir entwich und sich eine Müdigkeit einstellte, gegen die ich mich fast nicht mehr wehren konnte. Wenn ich mich dann tatsächlich mal jemandem öffnete und darüber sprach, wie es mir geht, kam häufig nur: "Ja, das sind Winterdepressionen. Dagegen kann man nichts machen." Heute weiß ich, wie es zustande kommt, dass sich Menschen einfach nur verkriechen und die Decke über den Kopf ziehen wollen. Gegen dieses emotionale und mentale Blei kommt man einfach nicht an und man wird immer weiter runtergedrückt. Mit jedem Moment, der vergeht, kann man spüren, wie die Lebenslust und Motivation aus einem herausgepresst wird.


Eine simple Erkenntnis


Irgendwann reichte es mir. Ich schnappte mir eine Jacke, meine Autoschlüssel und machte mich auf den Weg. Wohin? Völlig egal. Einfach erstmal losfahren. Ich stöpselte meinen USB-Stick ein und ließ Musik laufen, während ich ziellos durch die Gegend kurvte. Nach einiger Zeit erwischte ich mich dabei, dass ich ein Lied, das da gerade lief, mitsummte. Das steigerte sich sogar noch zu einem lauten, schiefen und beherzten Mitsingen. Mehr und mehr gute Laune stellte sich ein. Wie lange ich da so rumgefahren bin und wohin mich mein Weg führte, konnte ich damals nicht mehr sagen. Das war auch vollkommen gleichgültig. Entscheidend war, dass ich nach dieser Fahrt gut drauf war. Diese seelische Schwere, die ich vor der Abfahrt noch hatte, war verflogen. Lange hat das natürlich nicht vorgehalten. Dennoch war es ein klares Signal: Mach was, das dich ablenkt und beschäftigt, dann verschwinden auch die trüben Gedanken.


Ich hatte einfach keine Zeit mehr für dunkle Denke


So einfach war es. Das hat mein Arzt also gemeint, als er mir sagte, ich solle mir etwas suchen, das mich beruhigt und positiv stimmt. Herumfahren und dabei Musik hören funktionierte eine Zeit lang. Dann kamen Hörbücher hinzu. Mal hörte ich sie nur zur Berieselung. Aus anderen konnte ich eine Menge Impulse für mich mitnehmen, die mir dabei halfen, mich in meiner Situation wiederzufinden und zu erden. Es tat mir sehr gut, so intensiv Zeit mit mir selbst zu verbringen. Mein Auto wurde dabei zu einer Art Rettungsinsel. Sobald ich einstieg und die Tür hinter mir schloss, war da ein Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit. Zu einem meiner Ausflüge nahm ich meine Fotokamera mit. Ein bestimmtes Ziel hatte ich dabei wieder nicht. Ich fuhr einfach los und schaute mal, wohin mir die Wege so führen würden. Gelegentlich hielt ich an und fotografierte, was mir vor die Linse kam. Zu Hause angekommen schnappte ich mir die Fotobeute, die ich gemacht hatte, um sie zu entwickeln und zu bearbeiten. Weder auf den Fototouren noch bei der Nachbearbeitung bemerkte ich, wie die Zeit verging. Am meisten faszinierte mich aber eine Erkenntnis: In keinem Moment hatte ich negative Gedanken oder Gefühle. Meine volle Aufmerksamkeit galt den Fotos und der Arbeit daran. Diese erdrückende mentale Last, die ich sehr oft spürte, war weg. Kein Gedanke mehr daran, mich einzuigeln und die Decke über den Kopf zu ziehen. Fotos zu machen schüttete eine Menge Glückshormone aus und ich vergaß dabei Raum und Zeit.


Gedankenkarussell-Bremser ist ein anspruchsvoller Job


Nun wollte ich wissen, ob ich mir das nur einbildete, oder ob ich mich wirklich von meiner dunklen und zermürbenden Denke ablenken konnte. Also ließ ich es drauf ankommen. Ich setzte mich bewusst hin und tat nichts, als nur rumzuhängen. Es dauerte nicht lange und die grau-schwarzen Gedanken kamen zurück. Das Karussell im Kopf nahm Fahrt auf und wie üblich kam ich dabei von einem Thema ins nächste. Schnell war meine Stimmung wieder auf dem Nullpunkt und der Impuls mich zu verkriechen ließ ebenfalls nicht lange auf sich warten. Nun wusste ich aber, wie ich dieses Karussell anhalten konnte. Und das tat ich. Es fiel mir zwar unfassbar schwer, jetzt den Cut zu finden, doch gelang es mir. Ich warf mir meine Jacke über, Musik auf die Ohren und dann spazieren gehen. Natürlich war die Kamera wieder dabei. Erst hatte ich keinerlei Ambitionen, sie zu benutzen. Es hatte mich schon genug Überwindung gekostet, jetzt rauszugehen und loszulaufen. Aber es dauerte nicht lange und ich knipste wieder drauflos. Viel kam dabei nicht zustande, aber das war auch nicht entscheidend. Viel mehr zählte die Tatsache, dass ich dabei mit meiner Aufmerksamkeit von der Dunkelheit im Kopf wegkam und mich voll auf meine Fotos konzentrierte.


Den trüben Gedanken die Aufmerksamkeit entziehen


Mein Burn-out hatte eine Menge Gründe. Dass ich keinen Ausgleich in Form eines Hobbys mehr hatte, war einer davon. Darüber bin ich mir heute sicher. Wie positiv sich das Fotografieren auf meinen seelischen Zustand und meine Art zu denken auswirkte, habe ich sehr schnell erfahren. Heute ist es eine Art Reflex geworden, dass ich mich intensiv mit etwas beschäftige, wenn ich merke, dass mal trübe und überflüssige Gedanken in meinem Kopf die Runde machen. Anlass dafür gibt es ja im Alltag genug. Die Frage ist eben, wie weit man das an sich heranlässt. Ich ergebe mich ihnen nicht mehr, sondern entziehe ihnen einfach die Aufmerksamkeit. Damit können sie nicht umgehen und verziehen sich in der Regel schnell wieder. Wie vieles andere auch ist es nur eine Frage des Willens.


Fröhlichst

Dein André


 
 
 

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