Irgendwann musst du anfangen, dein Leben aufzuräumen
- André Maaß

- 20. Dez. 2021
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 21. Dez. 2021

Es ist nicht gerade typisch menschlich, Veränderungen gut zu finden. Sind wir ehrlich: Die Meisten mögen sie nicht unbedingt. Besonders nicht, wenn eigentlich alles gut läuft und das Leben aus rosa Zuckerwatte besteht. Dann darf gern alles so weiterlaufen, wie es gerade ist. Hat man aber gerade eine Phase, in der alles in die Hose zu gehen scheint, dann kann die Veränderung gar nicht schnell genug kommen. Tja, wieder einmal eine Frage des Standpunktes. An der Stelle habe ich vor vielen Jahren, als mein Burn-out so richtig in vollem Gange war, den gleichen Fehler gemacht, wie viele andere. Ich dachte nämlich die ganze Zeit, dass sich die Situation von selbst wieder geben und sich alles bessern würde. Frei nach dem Motto: "Kommt von selber, geht von selber." Das hat mein Burn-out aber wohl nicht mitbekommen. Der blieb nämlich und machte es sich so richtig gemütlich bei mir.
Da war dann wohl mal Inventur notwendig
Ganz am Anfang habe ich mir viel Zeit genommen, mir über die Situation, in der ich gerade war, Gedanken zu machen. Dabei bin ich die Bereiche meines Lebens im Geiste abgelaufen und habe sie mir angesehen. Eine Baustelle nach der anderen füllte den Schreibblock, der vor mir lag. Job, Familie, Freunde, Finanzen und Gesundheit waren einige Bereiche davon. Nach dieser Inventur war mir klar, dass etwas passieren musste. Zunächst war da die Schuldfrage. Es gab eine Menge Leute in meinem Umfeld, die ich für das verantwortlich machte, was mich da gerade stetig nach unten zog. Kollegen, Familienmitglieder und Freunde waren aus meiner Sicht schuldig daran, dass es mir so schlecht ging. Nachdem ich mir ein paar sehr hilfreiche Podcasts und Hörbücher angehört hatte, kam ich jedoch auf eine für mich völlig neue Einsicht. Es gab nämlich ausschließlich eine Person, die dafür gesorgt hat, dass ich im Burn-out gelandet bin: ich selbst. Und niemand sonst! Das war eine bahnbrechende und sehr erhellende Erkenntnis. Damit sage ich nicht, dass mein Umfeld nichts damit zu tun hatte. Den Schuldspruch an meiner Krise verdiente ich jedoch allein und zurecht. Klar war das schön einfach, sagen zu können: "Der ist schuld daran, dass es mir so schlecht geht, weil er..." Kann man machen. Zumindest sorgt man dann dafür, dass man sich keine großen Gedanken mehr machen muss. Man kann ja nichts dafür. So hab ich das eine Zeit lang auch gemacht und wickelte mich damit so richtig in die Opferrolle ein.
Wenn das Beben vorbei ist, geht es ans Aufräumen
Mich aus dieser Opferrolle freizustrampeln kostete einige Kraft und war auch echt hart. Gleichwohl war es aber auch ein gutes Gefühl, die Kontrolle über mich und mein Leben zurückzugewinnen. Denn wenn ich nicht mehr andere für meine Scheiße verantwortlich mache, kann ich damit beginnen, die Trümmer wegzuräumen. Das tat ich dann auch. Kein Bereich war bei mir in Ordnung. Das musste sich ändern. So war mein Job der erste Punkt, an dem eine Änderung hermusste. Die Kündigung hatte ich schon geschrieben und sie lag gespeichert auf meinem Rechner. Abgeschickt hatte ich sie noch nicht, da ich mir noch nicht klar war, was dann kommen sollte. Dem zuvor kam mein damaliger Chef, der mir vorschlug, mich innerhalb des Unternehmens zu verändern. Er würde mich dabei unterstützen. So kam es dann auch und für mich war das wie eine Initialzündung. Heute, mit vielen Jahren Abstand, kann ich sagen, dass ich beruflich rundherum glücklich bin. Mit diesem neuen Betätigungsfeld war der Grundstein dafür gelegt, dass sich meine Situation weiter verbesserte. Ich brauchte damals erst einmal einen Ort, an dem alles gut ist. Er ist wie eine Art Insel, auf die man sich zurückziehen und von der man Energie tanken kann. Ein Teil des Lebens muss in Ordnung sein, damit man Kraft für die anderen Baustellen sammeln kann.
Entscheidungen haben mir Klarheit gebracht
Es hilft nichts. Ab einem gewissen Punkt müssen nun mal Entscheidungen her. Wenn man Veränderungen will, braucht man nicht darauf zu warten, dass sie einem vor die Haustür geliefert werden. Von selbst passiert mal gar nichts. Einige der Entscheidungen, die ich getroffen habe, waren knallhart. Ich habe mich von vielen Menschen meines Umfelds verabschiedet. Sie waren nicht falsch oder schlecht. Im Gegenteil. Sie waren alle gut und richtig - in ihrer Welt! Aber nicht in meiner. Deshalb mussten sie gehen. Das fiel mir absolut schwer, denn es betraf sogar meine eigene Familie. Mein Vater war auch darunter. Das ist ja schlimm? Das macht man doch nicht? Doch. Denn als ich damit begonnen habe, mein Leben aufzuräumen, war eine Sache vollkommen klar: keine Tabus! Wenn ich zu dem Schluss kam, dass mir ein Mensch aus dem Umfeld nicht mehr guttat, musste ich mich von ihm verabschieden. Es hat niemand gesagt, dass das leicht ist. Mir war es das aber wert, denn so schlimm, wie es damals beim Burn-out war, durfte es nicht bleiben. Deshalb war ich bereit dazu, alles zu tun, was nötig ist, um wieder in die Spur zu kommen.
Irgendwann muss Schluss sein mit "aushalten"
Jeder muss für sich selbst Klarheit finden, ob er etwas verändern will. Meine habe ich damals gefunden und ich bin heilfroh darüber. Es reichte einfach. Vor allem wollte ich mein Lebensglück und meine gute Laune zurück haben. Was ist mit dir? In welchen Bereichen deines Lebens bist du gerade im "Aushalten"-Modus? Nervt dich der Job, weil du immer zu denen gehörst, die für andere mitarbeiten? Bist du einer derjenigen, denen im Privatleben immer mehr aufgebürdet wird, weil es immer so war? Bist du für Verwandte der Sündenbock und Prügelknabe? Stellst du deine Bedürfnisse permanent hintenan? Dann frag dich, wie lange du das alles noch mitmachen und der Fußabtreter für andere sein willst. Wenn du dir darüber klar geworden bist, dass es so nicht weitergeht, wird es Zeit für Entscheidungen. Dies erfordert zwei Dinge. Einerseits Mut, denn nun werden Veränderungen kommen. Sehr wahrscheinlich wird der Flug jetzt ungemütlich. Es ruckelt aber immer ein bisschen, wenn das Leben in den nächsten Gang schaltet. Das gehört dazu. Jetzt kommt Ding Nummer zwei ins Spiel: Durchhaltevermögen. Wenn man sich einmal für einen Weg entschieden hat, dann sollte man ihn so auch durchziehen. Einfach "nur mal" auszuprobieren bringt gar nichts. Also dachte ich damals "all in". Was sollte mir auch passieren? Viel schlechter konnte es für mich ja schon nicht mehr werden. Mir war auch bewusst, dass es Rückschläge geben wird. Früher bin ich dann liegengeblieben. Diesmal nicht. Ich stehe auf, klopfe meine Hose ab und gehe weiter.
Heute ist mein Rucksack ausgepackt
Bitte glaube nicht, dass all das ein Spaziergang war. Jeder einzelne Schritt, der mich aus meinem Burn-out raus führte, tat weh und mir war oft genug danach, umzukehren. Meine Rückschläge kann ich gar nicht mehr zählen. Aber alles, was passiert ist, hat den Menschen aus mir gemacht, der ich heute bin. Glücklich, zufrieden, gut gelaunt und weit weg von einem Burn-out. Dafür habe ich meinen Rucksack ausgepackt. Und der war verdammt schwer. Was sich in 40 Jahren Leben aufgestaut hat, lässt sich nicht mal eben schnell wieder loswerden. Sagt jedoch auch niemand, dass es in Rekordzeit erledigt sein muss. Ich habe es in meinem Tempo und meinem Rhythmus gemacht. Nur so kann es funktionieren.
Vielleicht findest du ja auch den Mut, dich auf deinen Weg zu machen. Wenn das so sein sollte, dann wünsche ich dir dafür nicht nur viel Glück, sondern richtig gute Laune!
Fröhlichst
dein André








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