top of page

Ins Gehirn gequatscht

  • Autorenbild: André Maaß
    André Maaß
  • 7. Nov. 2021
  • 3 Min. Lesezeit

ree

Das ist dir sicher auch schon einmal passiert. Du bist mit einer Sache beschäftigt, bei der du ganz herrlich dein Gehirn ausschalten und einfach nur machen kannst. Nein, damit meine ich nicht den Thronbesuch. Vor einiger Zeit habe ich meinem Schwiegervater geholfen, einen leichten Formschnitt in seine Hecke zu bekommen. Keine Panik! An die nistende Vogelwelt haben wir gedacht. Es ging lediglich darum, zum Nachbarn ragende Zweige abzuschneiden, damit der keine Machete braucht, um in sein Carport zu kommen. Während ich da so mit der Akku-Sumse herumhantiere, lasse ich meine Gedanken los und tue einfach vor mich hin. Total spannend, was einem dabei so durchs Hirn zieht, wenn man mal ordentlich Platz lässt. In dieser Situation stiegen in mir Bilder auf.


"Das kann sich ja keiner mit angucken!"


Es sind Momentaufnahmen aus meinem Leben, in denen ich genau das tue, was ich jetzt gerade tue. Gartenarbeit. Zumindest versuche ich es, denn neben mir steht ein Mensch, der mir regelmäßig zu verstehen gibt, dass ich das nicht kann. Es sind nicht immer Worte, durch die ich es mitgeteilt bekomme, sondern Gesten, genervtes Schnaufen, sich verdrehende Augen und hämisches Grinsen, das gelegentlich sogar in einem boshaften Auslachen mündet. Dieser Mensch neben mir ist - um es mal neutral auszudrücken - ein mir naher Verwandter. Er beobachtet argwöhnisch, wie ich versuche, den Rasen zu mähen. Ich bin 12 Jahre alt und gebe mir Mühe, einen Beitrag zu leisten. Letztlich dauert es nicht allzu lange und mir wird der Rasenmäher aus der Hand genommen: "Das kann sich ja keiner länger mit angucken. Lass' mal, das kannst du nicht." In diesem Moment habe ich in mir das Gefühl, einfach zu doof für diese Welt zu sein und ich komme mir vor, wie der letzte Blödmann. Mir wird allerdings auch nicht gezeigt, wie es richtig geht - geschweige denn, dass ich gesagt bekomme, was genau ich nun falsch gemacht habe. Vergleichbare Szenen wiederholen sich über die Jahre regelmäßig. Vornehmlich dann, wenn es um handwerkliche Dinge geht. Hier sind mal die Top 3 der Kommentare, die ich in solchen Momenten ernte:


Top 3: "Lass mal, das kannst du nicht."

Top 2: "Meine Güte, so schwer is' das doch nich'!"

Und unangefochten auf Platz 1 der Charts:

"Mensch, lass' das bloß keinen seh'n, wie du dir hier einen abwürgst!"


Der André von heute stellt sich und probiert aus


Was damals so unbedacht rausgehauen wurde, verfestigte sich in kurzer Zeit zu einem Glaubenssatz, den ich bis vor wenigen Jahren immer noch mit mir herumschleppte. "Das kann ich nicht", war ein ständiger Begleiter. Sackdoof, ich weiß. Von außen betrachtet würde ich jedem dazu sagen, dass er sich das nicht von anderen Menschen ins Gehirn quatschen lassen soll. Wenn ich aber selbst derjenige bin, dem das passiert, dann sehe ich den Wald vor lauter Bäumen nicht. Ein echt dickes Brett, das ich damals vor dem Kopf hatte. Anstatt mich auszuprobieren und mich der Herausforderung zu stellen, kam der innere Meckerpott in mir zum Vorschein und sorgte dafür, dass ich es gar nicht erst versuchte. Wahnsinn, wie sehr ich mich damit selbst begrenzte. Am Ende glaubte ich sogar ganz fest, dass ich derlei Dinge wirklich nicht konnte. Und dann landete ich mit den Gedanken wieder vor der Hecke, mit der Akku-Sumse in der Hand. Ich TUE es einfach. Es ist fast so, als wenn dieser André, der sich damals zu dämlich für alles vorkam, nicht mehr existiert. Der André von heute verschwendet keine Sekunde mehr an solche Glaubenssätze. Er stellt sich, probiert aus und lässt sich drauf ein. Selbst wenn es mir dann misslingt, ziehe ich genug Lehren daraus und mache es beim nächsten Mal besser. Daran war früher nie zu denken.


Erzähl mir nicht, was ich nicht kann


Es ist schon ein bisschen gruselig, welchen Einfluss mein Umfeld mal auf mich hatte. "Das kannst du nicht" kam im Grunde nur von zwei Arten von Menschen. Die einen konnten es selbst nicht und damit sie sich nicht komisch vorkamen, wollten sie auch nicht, dass ich es hinbekam. Die anderen konnten es, wollten mich aber unten halten, damit sie besser dastehen. Wenn dir das bekannt vorkommt, dann schau doch auch einmal genauer hin, welche Menschen dir derlei Dinge sagen. Können sie es nur selbst nicht? Oder wollen sie nicht, dass du es schaffst, weil sie dann ihren Vorteil verlieren? Heute bin ich mir bewusst: Selbst eine unbedeutende Kleinigkeit wie eine geschnittene Hecke birgt eine Menge Glückspotenzial in sich. Für den einen mag es nur der Formschnitt von ein bisschen Grünzeug sein. Für mich hingegen ist es ein Sinnbild, das mich glücklich macht: "Siehst du, ich kann es doch! Und erzähl mir nie wieder, dass ich etwas nicht kann!".


Fröhlichst

Dein André



 
 
 

Kommentare


bottom of page