top of page

Ich bin zu alt für den Scheiß

  • Autorenbild: André Maaß
    André Maaß
  • 27. Feb. 2022
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 1. März 2022



Tja, was soll ich sagen? Dieses Jahr bin ich sozusagen auf meiner Abschiedstournee durch die 40er. Im Oktober kommt die fünfte Null. Damit geht jeder anders um. In meinem Umfeld habe ich schon die unterschiedlichsten Reaktionen auf die 50 gesehen. Die einen schnallen sich eine Lederkutte um, shoppen sich 'ne Harald-Detlefsen und knattern über die Landstraßen. Als "Fuffi" ist die Kohle dafür in der Regel auch da. Andere tragen einen echten Knacks davon und kommen mit dem Älterwerden überhaupt nicht zurecht. Die leben ausschließlich in der Vergangenheit und erheben das Glas auf die Partyzeit der Jugend. Auf diese Weise vorgeglüht, stürmen sie die nächste "Revival"-Fete. Wieder andere sind schon lange weg aus ihrer früheren Hood, haben sich komplett verändert und in ihrem Leben keinen Stein mehr auf dem anderen gelassen. Ich selbst gehöre eher zur letzten Fraktion. Es gibt vermutlich noch unzählige Facetten von Reaktionen auf das Umblättern im eigenen Lebenskalender. Was ich mit Sicherheit sagen kann: Es ist für mich durchweg positiv, meine persönliche "big five in life" zu erreichen.


Ich möchte nicht mehr zurücktauschen


Wer kennt nicht diese Sprüche, dass doch in der Jugend irgendwie alles besser war. Ich weiß nicht wie es dir geht, aber wenn ich einen Schulterblick in meine Jahre riskiere, kann ich das nicht feststellen. Von der Art Glück, Zufriedenheit und Erfüllung, die ich heute in mein Leben gezogen habe, war damals weit und breit nichts zu sehen. Zudem waren früher finanzielle Dinge nicht unbedingt meins. Geld war nicht mein Freund. Allzu lange habe ich gedacht, dass ich einfach nicht genug für ein vernünftiges Leben verdiene. Eine Veränderung in meiner Einstellung durch die Worte meiner liebenden Ehefrau hatten zur Folge, dass ich diese Denke abgelegt habe. Beim Thema Liebe bin ich ebenso froh, nicht mehr der Typ von früher zu sein. Mein Selbstvertrauen und meine Selbstliebe waren ganz schön ebenerdig angelegt. Sehr lange war das höchste der Gefühle, dass ich für die holde Weiblichkeit "der gute Freund" war. Nicht selten begleitet von dem Satz "Du bist wie ein Bruder für mich". Schönen Dank auch. Meine Menschenkenntnis ließ da in meiner Jugend zusätzlich noch sehr zu wünschen übrig. Öfter lief ich plump gegen eine Wand aus Fehleinschätzungen. Das gewinnt den Vergleich zwischen Jugend und heutigem Alter auch nicht. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr verstärkt sich der Gedanke, dass ich nicht mehr zurücktauschen möchte.


Jedes Alter hat seine Highlights


Ich vermisse nichts von all dem, was damals war. Mir macht es Spaß, alte Fotos durchzuschauen, dabei die Musik meines Lebens zu hören und an all die Storys zu denken, die ich erleben durfte. In jedem Alter gab es Highlights. Die einen sind zum Schmunzeln, die anderen locken schon ein paar Tränen hervor. Wir haben damals Erinnerungen produziert und jede einzelne ist mir so viel wert. Egal, ob es die Ausflugstouren mit den ersten Autos waren, tolle Momente auf Klassenfahrten oder kleine und große Krisen. Immer wieder war da dieses Gefühl, von Freunden umgeben zu sein, die 24 Stunden füreinander geöffnet hatten. In meinem Leben ist eine Menge passiert. Da war viel Tolles und eben auch echte Scheiße dabei. Aber wäre ich heute der, der ich bin, wenn es nicht so gekommen wäre? Wohl nicht, da bin ich mir sicher. Die Uhr zurückdrehen ist nicht. Also muss ich mir auch diese allseits beliebte Frage, ob ich denn etwas anders machen würde, nicht stellen. Die Entscheidungen und Erlebnisse meiner Kindheit und Jugend hatten ihren Einfluss auf mein heutiges Ich. Es gehört letztlich alles zu mir. Das bedeutet aber nicht, dass ich eine Zeit meiner Vergangenheit vermisse oder bereue. Ich bin einfach zu alt für den Scheiß! Alles, was ich erlebt habe, war genau richtig in seiner Zeit. Heute bin ich in jedem Punkt anders als früher. Besonders seit meinem Burn-out. Der hat noch einmal eine völlig neue Dynamik in mein Leben gebracht. Seitdem habe ich Werte für mich völlig neu definiert, Einstellungen verändert und mich komplett neu ausgerichtet. Das wurde Zeit, denn so, wie es vorher war, ging es nicht mehr weiter.


Heute ist es super und morgen wird's noch besser


Ich fühle mich mit einem Wort: fantastisch. Dieses Gefühl ist vor allem deshalb so überdeutlich, weil ich den Kontrast erlebt habe. So schlimm es im Burn-out war, so wenig möchte ich ihn missen. Er war mein persönlicher Neustart und ich fühle mich besser als jemals zuvor. Mein "Heute" ist einfach unbeschreiblich. Diese Art von Glück und positiver Grundstimmung habe ich früher nicht gehabt. Allein das ist schon ein guter Grund, nicht mit der Jugend tauschen zu wollen. Ich bin gefestigt und stehe in meinem Leben, wie ich es noch nie tat. Mir sind meine Stärken und Fähigkeit bewusst. Die baue ich immer weiter aus, denn der Drang, mich stetig zu verbessern, ist ungebremst vorhanden. Wo mich Herausforderungen früher eher abgeschreckt und beinahe gelähmt haben, suche ich sie heute. 2021 kam mit "Warum bist du eigentlich so gut drauf?" mein erstes Buch raus. Ein Buch zu schreiben, wäre in jungen Jahren nie in die Tüte gekommen. Selbst, wenn ich gewusst hätte, worüber ich schreiben möchte, hätte ich es nicht getan. Viel zu groß wäre meine Angst gewesen, zu scheitern. Das ist mir heute völlig egal. Was soll's? Wenn es nicht funktioniert, schreibe ich eben noch eins. So hätte ich damals nie gedacht. Und was ist mit dem "Morgen"? Das spannt sich wie ein breiter und kurvenreicher Weg vor mir auf. Ich kann nicht abschätzen, wohin er mich führt. Auf ihm bin ich aber die letzten Jahre gereist. Deshalb bleibe ich ihm treu und überlasse ihm die Führung. Er wird eine Menge für mich bereithalten. Manches davon wird mich stumm vor Glück werden lassen. Anderes wird mich herausfordern. Vielleicht auch mal über meine Grenzen hinaus. Selbst wenn es mich zu Boden wirft, habe ich genug gelernt, um wieder aufzustehen und meinen Weg fortzusetzen. Schrammen verheilen und kein Tal der Tränen ist für immer. Wie andere das sehen, weiß ich nicht. Für mich ist es die geilste Zeit, die vor mir liegt. Würde ich meinem Leben ab sofort einen Titelsong geben, käme nur einer in Frage. Und zwar einer, der meinem Alter würdig und angemessen ist. Ich drehe ihn voll auf, fühle ihn und grinse vor mich hin. Hau rein Tina...


Fröhlichst

dein André



 
 
 

Commentaires


bottom of page