"...damit man täglich roboten geht."
- André Maaß

- 31. Okt. 2021
- 4 Min. Lesezeit

Schau dich mal um. Wie viele glückliche Menschen siehst du so am Tag? Also mir laufen da nicht so viele über den Weg. Das liegt aber nicht daran, dass die Menschen per se unglücklich sind. Ich vermute, dass sie es schlicht verlernt haben, glücklich zu sein. Durch meine Arbeit habe ich jeden Tag mit einer Menge von Leuten zu tun. Da kommt es natürlich zu intensiven Gesprächen. Es dauert dann auch meist nicht lange und ich entdecke einen großen Punkt, warum das Unglücksgefühl bei so manch einem Einzug gehalten hat: Sie stecken in einem völlig falschen Job. Obwohl, wenn ich es noch einmal überdenke, dann ist wohl „gestrandet“ die deutlich treffendere Beschreibung. Sie stolpern morgens müde und mit versteinerter Miene in irgendeine Maloche, roboten ihre 8 bis 9 Stunden rum und fallen zu Hause mit einer Fertigpizza und ein paar Dosen Bier vor den Fernseher. Da gucken sie dann Sendungen, in denen Typen, die hier in Deutschland ihr Leben schon nicht geregelt bekommen, nach Malle auswandern. Dort eröffnen sie dann ohne Sprachkenntnisse oder Wissen um wirtschaftliche Zusammenhänge ein Labskaus-Restaurant. Wenn der Laden erst mal brummt, nehmen sie noch Knoblauch-Nuss-Milchshakes und Pastinaken-Fleischwurst-Smoothies ins Programm. Der Sesselsitzer vor dem Fernseher feiert sich spontan, denn augenscheinlich gibt es Menschen, deren Leben immer noch mieser ist, als das eigene. Ein befreiendes Gefühl, mit dem Finger auf andere zeigen zu können. Das lenkt so schön von einem selbst ab. Diese Freude währt dann so lange, bis die Wirkung vom Bier nachlässt oder morgens wieder der Wecker klingelt und es erneut in das gewohnte Karussell der Resignation geht. Und du glaubst gar nicht, wie viele Menschen das betrifft!
"Der Rubel muss ja rollen"
Ich selbst kenne nur sehr wenige, die beruflich von sich sagen können, dass sie glücklich sind. Wenn ich frage: „Na, was macht der Job?“, dann ist allzu oft die Antwort: „Joa, muss ja. Der Rubel muss rollen!“. Rums, da haben wir die Erklärung. Sie sind nicht in ihrem Job, weil er Spaß macht oder den eigenen Neigungen entspricht. Dieser Job ist eben das Mittel zum Zweck, damit Geld reinkommt. Nichts anderes steckt dahinter. Ich selbst habe mal eine Zeit lang in einer Firma gejobbt, in der es um Speiseölverarbeitung ging. Wir waren sozusagen die „Jungs-für-alles“-Abteilung. Egal ob Reinigungsjob, Fließbandaushilfe oder Lagerpflege, wir kamen ins Spiel, wenn es schmutzig und anstrengend wurde. Diese Arbeit hat mich vor allem mental völlig ausgepowert. Es fühlte sich sogar gegen Ende richtig fies an, dorthin zu fahren und den Feierabend konnte ich kaum noch erwarten. Das waren 3 Monate, die sich wie 10 Jahre anfühlten. Einzige Pluspunkte: Ich hatte tolle Kollegen und der Job wurde super gut bezahlt. Logisch, den Mist wollte ja auch keiner machen. Das Geld stand für mich jedoch damals in keinem Verhältnis zu meinem Befinden vor, während und nach dieser Arbeit. Für mich war es nur ein kurzfristiger Nebenjob. Gerade deshalb fand ich es besonders krass, dass einige meiner Kollegen diese Arbeit dauerhaft machten. Das hätte ich nicht über Jahre ausgehalten, sondern wäre seelisch draufgegangen. Ich kann den vorhin beschriebenen Sesselsitzer verstehen. Die Abhängigkeit vom Geld entsteht schnell. Plötzlich kann er nicht mehr anders, als jeden Tag wieder den Drecksjob machen. Nur damit die Scheine flattern und das Überleben gesichert ist. Von leben spreche ich hier noch nicht einmal.
"Ich hatte mal einen Traumberuf"
Was ist mit dir? Denk mal an deinen Job. Wie fühlt sich das an? Vielleicht kannst du diese Arbeit machen, ohne dabei auch nur einmal auf die Uhr zu schauen. Du gehst zufrieden und strahlend morgens aus dem Haus und kommst auch noch genauso wieder nach Hause. Es kann aber auch anders sein. Möglicherweise kostet es dich Anstrengung, dich morgens überhaupt zur Arbeit aufzuraffen. Bei mir war es vor vor dem Burn-out auch noch so. Ich spürte ein permanentes Unwohlsein, während ich meinem Job nachging. Mein Montagmorgen begann mit schlechter Laune und die Woche endet auf dem Gipfelpunkt der Gereiztheit. Meine Reaktionen waren Stress, Unruhe, Schlaflosigkeit und selbst 3 Wochen Urlaub brachten mich nicht wieder in die Spur. Das Ganze hatte die Überschrift: „Es muss ja sein, damit ich meine Familie ernähren kann.“ Dabei hatte Ich mal einen Traumberuf. Ich wollte Radiomoderator werden. Etwas, das mir ein feuriges Leuchten in die Augen gezaubert hätte. Ein Job, für den ich lichterloh brennen und der meinen Fähigkeiten und Talenten voll entsprechen würde. Allerdings kam irgendwann eine Entscheidung, die vermutlich durch die Vernunft gesteuert war. Sie war von außen initiiert. Mein Umfeld wirkte da äußerst stark. „Mach lieber was Sicheres“, war einer der Sätze, der mir von meinem Vater und auch einigen anderen ins Gehirn gequatscht worden ist. Aus ihrer Sicht war das auch völlig in Ordnung und sie haben es gut gemeint. Für mich aber war die Folge, dass ich mich auf einen beruflichen Weg begab, der zwar sicher aber eben nicht meiner war. Von Erfüllung, Freude und Spaß war dann keine Rede mehr. Wenn die Elterngeneration von einem „guten Job“ spricht, dann hängt das in erster Linie mit dem Gehalt und dem Grad der Unkündbarkeit zusammen. Heute sehe ich das anders. Ein guter Job entspricht meinen Neigungen, Talenten, Fähigkeit und vor allem: Er macht Spaß! Es gibt so viele Menschen, die in einem Beruf gelandet sind, der irgendwie ok ist. Sie gehen zur Arbeit, um endlich Feierabend zu machen. Ihr berufliches Glück haben sie aufgegeben. Es wird nicht mehr auf Bauch und Herz gehört, sondern der Verstand und die Vernunft haben die Kontrolle übernommen. "Um zu" sind die Zauberworte: arbeiten, "um" Geld "zu" verdienen. Nicht um glücklich zu sein. Wenn das der einzige Beweggrund für den Job ist, dann hat man Handlungsbedarf.
"Man hat immer die Möglichkeit, sich zu entscheiden"
Wenn man, außer für sich selbst, keine Verantwortung tragen muss, kann man jederzeit die Arschbacken zusammenkneifen und sein Leben umkrempeln. Man kann sich entscheiden, ab sofort alles anders zu machen und sich endlich selbst verwirklichen. Hat man einen Partner und Familie, ist das natürlich nicht so einfach. Da gibt es vielerlei zu beachten. Das heißt aber nicht, dass es nicht geht! Da ist immer die Möglichkeit, sich zu entscheiden. Statt nur zu reagieren, habe ich mich damals für das Agieren entschieden. Das hat nicht alles sofort hingehauen. Scheitern gehört dazu und ist die edelste Form der Entwicklung. Am Ende jedoch bin ich wieder mitten im beruflichen Glück gelandet. Dazu musste ich, auch gegen Widerstände, das Steuerrad selbst in die Hand nehmen. Ich lebe nicht, um die Erwartungen der anderen zu erfüllen. Letztlich habe ich wieder gelernt, wie das geht - im Job glücklich zu sein.
Fröhlichst
Dein André








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