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Alle Jahre wieder

  • Autorenbild: André Maaß
    André Maaß
  • 21. Nov. 2021
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 28. Nov. 2021


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Bereits letzte Woche habe ich ja etwas dazu geschrieben, dass viele Menschen - und dazu gehörte ich definitiv auch - auf die merkwürdigsten Ideen und Gedanken kommen, wenn sie nichts um die Ohren haben. Gerade jetzt, wo die Tage langsam mehr dunkel als hell sind, verstärkt sich das. Folglich werden auch sehr viele Leute trübsinnig, antriebslos und hängen mental durch. Und als wenn das nicht schon reichen würde, werden gesellschaftlich auch noch ein paar schwere Geschütze aufgefahren, damit es uns noch ein bisschen dreckiger geht. Schaut man in den Kalender, fällt auf, dass sich gerade im November die sogenannten Gedenktage häufen. Da kommen dann Highlights wie Allerseelen, Volkstrauertag und der Totensonntag. Spätestens jetzt packen dann wohl die letzten fröhlichen und farbigen Gedanken ihren Sack zusammen, klemmen sich die Lebenslust unter den Arm und machen, dass sie vom Hof kommen. Verständlich. Würde ich an ihrer Stelle auch tun.


Es geht nicht um irgendeinen Glauben, sondern um mich!


Diese Gedenktage haben absolut ihre Berechtigung und ich respektiere jeden, der sie für sich begeht. Allein für mich habe ich die Entscheidung getroffen, mich damit nicht mehr zu beschäftigen. Nicht, weil ich ignorant bin, sondern weil mir mein eigenes Glück und die gute Laune wichtiger sind. Durch meinen Burn-out weiß ich, wie es ist, wenn man beides nicht mehr hat. Im Laufe der Jahre habe ich mich von Dingen, Menschen und Umständen befreit, die dafür gesorgt haben, dass es mir schlecht ging. Allzu lange habe ich das zugelassen und das war allein meine Schuld. Heute bin ich von derlei weit entfernt. Ich stelle mir gerade vor, dass ich noch immer mitten in meiner Lebenskrise von damals wäre. Saftlos, kraftlos und ohne jegliche positive Gedanken würde es mir gerade jetzt wieder besonders schlecht gehen. Die Wahrscheinlichkeit, trostlos auf der Couch zu liegen und die Decke über den Kopf zu ziehen, wäre sehr hoch. Müsste ich mich nun noch gedanklich oder gar beim Friedhofsbesuch mit entsprechenden Gedenktagen beschäftigen, wäre das der K.O. in der zwölften Runde für meine sowieso schon taumelnde und angeschlagene Mentalität.


Ich brauche keine Gedenktage für gegangene Menschen


Auch aus meinem Leben sind schon einige Menschen gegangen, die mir lieb und wichtig waren. Sie sind nicht mehr da und ich weiß auch nichts darüber, wo sie gerade möglicherweise sind. Doch leben sie in meinem Herzen weiter. Kein Tag vergeht beispielsweise, an dem ich nicht an meine liebe Omi denke, weil mir gerade eine witzige Begebenheit oder eine Weisheit von ihr einfällt. Ein Gefühl von Geborgenheit, das man speziell bei seiner Omi hat, ist tief in meinem Herzen, solange ich selbst lebe. Um an sie zu denken brauche ich keinen Tag, der mir von kirchlichen Dogmen oder irgendwem sonst vorgegeben wird. Ich muss auch nicht daran erinnert werden, dass ich selbst irgendwann einmal von dieser Kugel runter muss. Meiner Sterblichkeit bin ich mir durchaus bewusst. Gerade deshalb genieße ich mein Leben, denn es ist endlich. Meine Tage erlebe ich bewusst und freue mich über Menschen, die mir begegnen, über Fügungen, die mir passieren und die Liebe, die ich für meine Frau und Familie empfinden darf. Das alles sind Geschenke. Warum also sollte ich diese eh schon tristen Tage mit noch tristeren Gedanken verbringen? Da ist es doch viel schöner, in Gemütlichkeit bei einem dampfenden Kakao und ein paar Keksen alte Bilder anzuschauen und dann voller Freude an diese lieben Menschen zu denken, die nicht mehr da sein können.


Ich habe die Wahl und ich nutze sie


Gerade eben habe ich mir ein kleines Experiment erlaubt. Vor mir lag ein Zettel mit einer zweispaltigen Tabelle. Auf der linken Seite habe ich Begriffe wie "Totensonntag", "Trauer", "Friedhof" und viele andere aufgeschrieben, die zu den Gedenktagen im November und der Jahreszeit gehören. In der rechten Spalte standen Worte wie "Liebe", "Lebenslust", "Lachen", "Gemütlichkeit", "Erinnerungen" und alles, was die kalte Jahreszeit so wundervoll macht. Wenn ich die Wahl zwischen diesen beiden Spalten habe, dann muss ich weder lange überlegen, noch würde ich zögern. Schon beim Lesen der rechten Seite kamen in mir schöne Gedanken und Assoziationen auf. Gleich als erstes war es der gestrige Tag, an dem wir unsere Winter- und Weihnachtsbeleuchtung am Haus aufgehängt haben. Nachbarn hielten im Vorbeigehen an, lächelten und freuten sich über den schönen Anblick. Es ist meine Entscheidung, was ich in meinem Leben zulasse und was nicht. Früher hätte ich mir von anderen diktieren lassen, wie ich mich in den Wochen der offiziellen Trauer und des stillen Gedenkens zu verhalten habe. Das passiert mir heute nicht mehr, denn meine Wahl treffe ich ganz allein. Ich habe mich für das Schöne entschieden, denn es wirkt positiv auf meine Laune und sorgt für Glücksgefühle.


An dunklen Tagen braucht man helle Gedanken


Wir müssen es uns ja nicht noch schwerer machen, als es ohnehin schon ist. Wenn man in sowas wie einem Burn-out oder gar einer Depression steckt, ist das Leben schon schwierig genug. Man steht diesen Krisen oft gegenüber wie ein Boxer, der die Deckung fallengelassen hat und nur auf den K.O.-Schlag wartet. Mit positiven Gedanken, gerade in solchen Tagen, habe ich mich vor einigen Jahren dazu entschieden, meine Deckung wieder hochzunehmen. Ich lasse mich nicht mehr einfach so treffen, sondern wehre mich, weiche aus, fange die mentalen Schläge ab. Heute bin ich sogar so weit, dass ich meinen Gegner locker austanzen und dann meinerseits auf die Bretter schicken kann. Damals hatte ich Angst vor dem Burn-out. Heute hat er Angst vor mir. Deshalb können mir auch gesellschaftliche Konventionen wie irgendwelche vorgegebenen Gedenktage nicht mehr die Stimmung vermiesen, nur weil "man das muss und es nun mal so macht". Ich muss atmen. Mehr nicht. Der Rest ist meine eigene Entscheidung und die heißt: Gute Laune und Glück - und da hat mir keiner reinzuquatschen. Dir etwa?


Fröhlichst

Dein André

 
 
 

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